Schmu - Politik und Medien in Österreich - Freunderlwirtschaft per Inserat (NDR I

2 years ago
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Wir kennen den Kölner Klüngel, den Hamburger Filz oder die bayerischen Spezeln. Aber bei dem, was sich gerade in Österreich abspielt, können Vetternwirtschaften hierzulande echt noch was lernen. Unser Nachbarland wird gerade von einem der größten Korruptionsskandale seiner Geschichte gebeutelt. Na bitte, Wien war immer besonders. Aber mindestens sieben ranghohe Politiker unter Verdacht, das ist schon eine Leistung. Und dann nicht zu vergessen: die Presse. So, wie man früher um den Kaiser tanzte, eiert man heute um den Bundeskanzler. Na wissens, a bissel was geht immer. ZAPP über die millionenschwere Jubelpresse.

Gemütlichkeit, Tradition und Prunk. Man lässt es sich gut gehen in Österreich. Seit Jahrhunderten scheint hier das Geben und Nehmen bestens zu funktionieren, die Freunderlwirtschaft. Und die scheint zwischen Politikern und Journalisten auch ganz prächtig zu funktionieren. Auch wir werden freundlichst vom österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann begrüßt, als wir ihn im Parlament spontan befragen wollen. Schade, dass das Thema dann nicht ganz so erfreulich ist. Politiker der Regierungspartei sollen positive Berichterstattung erkauft haben. Die Staatsanwaltschaft und ein Ausschuss untersuchen die Praxis von staatlicher Anzeigenvergabe.

Da dürfte er sich auf eine Menge Fragen einstellen, denn der Bundeskanzler soll an oberster Stelle mitgemischt haben. Regelmäßig werden in österreichischen Tageszeitungen staatliche Anzeigen wie "Regierung Faymann stopp die Zwei-Klassen-Medizin" ("Heute", 22.9.2011) veröffentlicht, die aussehen wie Artikel, um die Arbeit staatlicher Institutionen und der Regierung anzupreisen. Propagandainserate, von denen Zeitungen leben.

Armin Thurnher, "Falter"-Chefredakteur, meint: "Es ist schwer zu erklären, dass es in Österreich üblich ist, dass es zwei Arten von Presseförderung gibt. Also nicht nur eine, was schon an sich gewissen Erklärungsbedarf mit sich bringt, sondern auch noch eine zweite, heimliche, nämlich die Presseförderung mittels Vergabe öffentlicher Inserate."

Großzügig bedienen sich Politiker an Steuergeldern, um das eigene Image gezielt aufzupolieren. Schon in seiner Zeit als Verkehrsminister soll Faymann zum Beispiel die österreichische Bundesbahn unter Druck gesetzt haben, aus ihrem Etat Imagewerbung für ihn zu bezahlen. Manche Boulevardmedien profitieren von ihrer großen Nähe zu Bundeskanzler Faymann besonders. Den größten Teil des Werbekuchens nach Faymanns Geschmack sollten " Heute", "Österreich" und die "Kronen Zeitung" bekommen, die drei großen Boulevardmedien. Finanzspritzen in Millionenhöhe kurz vor der Bundeskanzlerwahl 2008 und die Blätter danken mit Hofberichterstattung. Sie bejubeln ihren Kaiser: Und frohlocken "Faymann hat die Chance, einer der beliebtesten Kanzler dieser Zweiten Republik zu werden". "Mit etwas Glück wird er 'unser' Austro-Obama" ("Österreich", 02.12.2008). Auch nach der Wahl geht die Lobhudelei weiter. Neben dem Regierungsinserat zur Steuerreform, gleich Begeisterung darüber.

("Kurier", 26.04.2009)

NDR I zapp I 02.11.2011

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