Spagatkünstler Emanuel Cohn: national-religiös, zionistisch, konservativ-jüdisch, gleichwohl liberal
Kann man diverse Schattierungen in sich vereinen, ohne sich dem Vorwurf aussetzen zu müssen, man habe keine Linie, sei schlangenförmig im Geiste, ein verkappter spiessiger Bourgeois, der sich bloss offen gibt, um im Zeitgeist der undifferenzierten Gleichmacherei auftrumpfen zu können als gehätschelter 'Adabei'? Würde man grobes Sackhüpfen mit gleichzeitigem Seiltanzen verbinden wollen, es bedürfte mehrerer subtiler Eigenschaften, die man in sich bündeln muss, um in einer bis zur Schmerzgrenze zersplitterten jüdisch-arabischen Gesellschaft zu überdauern. Der gebürtige Basler Emanuel Cohn, Wissenschaftler, Drehbuchautor und Schauspieler, verbindet säkulare sowie handfeste Ausbildungen in den traditionellen jüdischen Schriften, Flair und Talent für musikalische wie schauspielerische Ausdruckskraft. Obgleich kompromissloser Hardliner, was die Wahrung von Israels Sicherheitsinteressen anbelangt, ist er ein Freund des Ausgleichs mit der arabischen Minderheit sowie gesellschaftspolitischer feministischer Agenda alles andere als abhold. Wenn man dann gleichzeitig neigungsmässig eher von befreiten Gebieten als von eroberten spricht - jenseits der grünen Demarkationslinie von 1967 gelegen, historisch seit jeher Judäa und Samaria genannt -, die Ultraorthodoxie eher als Gefahr fürs überlebensfähige Miteinander der diversen Stämme Israels einstuft, dann, ja dann sind wir bei einem Mann gelandet, der in freundeidgenössischer Manier Kompromisse schmiedet, jedoch längst nicht alle Grenzen nach dem Jekami-Prinzip zur Überschreitung freigibt. Wie kann man jedoch unter diesen Umständen verfassungsmässig gutheissen, dass ein Naftali Bennett, seines Zeichens neuer Ministerpräsident, der seinen Wählern vergorenen Wein eingeschüttet hatte, indem er sämtliche seiner Wahlversprechungen brach, nun mit bedeutsamer Machtfülle bis zum 27. August 2023 das Schicksal des Landes massgeblich mitbestimmt? Mitbestimmt mit sieben weiteren Koalitionären notabene, die parteipolitisch völlig divergieren? Im Wissen, dass eine Filiale der Muslimbrüder als fünfte Kolonne mit im Boot hockt, und der Premier selbst über höchstens der Hälfte seiner ohnehin mageren Wählerbasis von ursprünglich 5% der Knesset-Mandate verfügen würde nach seiner grosskalibrigen 'Versegglete' (baseldeutsch für: Betrug)? Was im Übrigen eindeutig zur Folge hätte, dass er die Mindestquote von 3,25% an Wählerstimmen zum Wiedereinzug seiner Partei ins Parlament nicht mehr schaffen würde. Irgendwie gelingt Cohn der Spagat, Bennett die fast schon kriminelle Ungehobeltheit durchgehen zu lassen - Hauptsache, man schaffe eine staatsmännische Realität, indem man mit der vom rechten bis linken Rand aufgeblasenen Multikulti-Koalition endlich mal ein Staatsbudget durchbringt, dessen Verabschiedung während zweieinhalb Jahren aus taktischen Gründen vom vormaligen Langzeitpremier Benjamin Netanyahu störrisch hintertrieben worden war. Irgendwie erachtet Cohn die Schubumkehr als Läuterung der Demokratie, selbst wenn sie nicht sauber zustande gekommen war. Vielleicht muss man demokratisch sozialisierter Basler sein, um Zionismus, Bürgerlichkeit, demokratischen Liberalismus mitsamt einem schnittigen, dennoch tiefgründigen Konservativismus zu vereinen. Cohn schafft, was Myriaden anderer Israelis mit Biegen und Brechen in ihrer Filterblase nicht bewerkstelligen wollen. Vielleicht braucht Israel zusätzlich zum Konglomerat an Parteivarianten eine Bewegung engmaschige Ideologien übergreifender Visionäre, die nicht bloss tagträumen, sondern gleichwohl Grenzen setzen könnten. Doch die aktuell etwa 21'000 schweizerischen Staatsbürger in Israel würden zahlenmässig zu wenig hergeben für die kritische Masse einer solchen grundeidgenössischen Neubesinnung im Nahen Osten...
© (2021) Pressebüro Infogold
Ronaldo Goldberger, Freier Journalist BR
#EmanuelCohn #Zionismus #Konservativismus
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