PodCast : Fuck By Harder

1 month ago
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Die Natur des Menschen wird häufig auf das Böse reduziert. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Das Böse ist einfach geschehen.
Ein Virus bedroht die Menschheit.
Wer weiß, was danach kommt?
Wer weiß, was zuvor gewesen ist?
Die Erinnerung war ausgelöscht worden. Sie war gespeichert in einer Wolke namens Cloud, die sich aus kristallinen Bits und Bytes zusammensetzte. Und aus diesen setzten sich wiederum Daten, Taten und ganze Geschichten zusammen. Die Erinnerun-gen der Menschen steckten darin. Man hatte sich von allem losgelöst und es der Wolke übergeben, aus der Informationen bezogen werden konnten zu allem, was gestern war, vorgestern oder vor vierzig Jahren.
Nur hatte man mit der Zeit vergessen, was wichtig war. Prioritäten wurden ersetzt durch sinnlose Datenabfragen, mit denen sinnentleerte Statistiken zusammengewürfelt wurden, die wiederum einer Propaganda dienten, deren Zweck allein der Zweck war.
Erinnerungen an die Großmutter waren in der Cloud. Man wusste gerade einmal, dass diese Frau existiert hatte. Früher hatte man ein Bild von der Großmutter an der Wohnzimmerwand oder im Flur. In der Zeit der Cloud gab es nur digitale Fotoalben. Sie konnten jederzeit abgerufen werden, aber weil man seine Zeit mit dem Sich-Abfüllen mit Drogen aller Art verbrachte, um sich aus der technoiden Scheiße für einen Augenblick auszuloggen, fehlte letzten Endes die Zeit und auch die Lust, sich zu erinnern.
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Wer Daten und Bilder seiner Biografie an die Cloud abgab, zahlte dafür Geld und hatte mehr Ruhe in seinem Leben. Das jedenfalls propagierten die Plakate in den Bahnhöfen.
Versicherungen schloss man online ab. Das Telefon wurde vom Internet abgelöst. Eine Sorge weniger. Der Vorteil war das einwandfreie Funk-tionieren des Menschen als Arbeitskraft. Die Cloud wurde zu seinem ständigen Begleiter des Alltags.
Die Daten machten sich selbständig und ar-beiteten – beziehungsweise sie erledigten Arbeiten für ihren Wirt. Mit der Zeit hatten sie ein be-denkliches Eigenleben entwickelt und begannen den Wirt zu bevormunden. Am Ende erledigten sie den Wirt. Er wurde zu einem Gemüse.
Die Daten «wussten», was gut war für den Wirt und sie wussten auch, was seinem Marktwert scha-den konnte. Dem Supercomputer zufolge war es das Beste für ihn, zu Hause zu sitzen und vor sich hin zu vegetieren. Cloud-Anhänger bewegten sich kaum. Arbeit, Sport, Einkauf: Alles spielte sich, wenn über-haupt, zu Hause ab und höchstens noch im Vor-garten, wenn man denn einen hatte.
Sinnliche Begegnungen gab es selten. Hin und wieder kam es in den wenigen Vorgärten, die es noch gab, oder in Gartenschuppen zu spontanem, un-persönlichem Sex zwischen Nachbarn. Spontaner Sex war verboten. Wer Sex wollte, musste nehmen, wen der Supercomputer vorschlug.
In sogenannten Sex-Boxen durfte man diese Kandidaten vögeln. Das war sauber und steril und legal. Meistens nahmen Frauen diese Dienste in Anspruch.
Männer hatten es leichter. Sie hatten ein soge-nanntes Wichshirn. Das Wichshirn war eine neu aus-gebildete Hirnregion der Cloud-Männer. Sie war eine sensationelle und rein zufällige abnorme Mutation, 9
die zunächst nur bei fleißigen Konsumenten von Pornofilmen auftrat. Das Wichshirn war eine Blase von der Größe einer Aprikose. Darin befand sich ein Gewebe, in dem die sexuellen Träume und Alpträu-me ihrer Besitzer gespeichert waren.
Mittels einer Hirn-Operation konnte Mann sich ein Plug-in einbauen lassen und sich mit einer Sex-puppe verbinden, die in der Folge genau das tat, was das Wichshirn von ihnen verlangte. Die Sexpuppen fühlten sich sehr echt an, sie sprachen wie Papageien und sagten alles, was ihr Wichs-Mann hören wollte.
Cloud-Männer waren also Soziopathen geworden. Die Abschaffung der Frau war auf dem Vormarsch. Am Ende hätte es nur noch Gummipuppen und ein paar Männer gegeben, und ganz am Ende . . . ? Geklonte Menschen, die tot waren?
Dieser sehr wahrscheinlichen Entwicklung der Menschheit konnte nur einer oder eine ein Bein stel-len: ein Hacker oder eine Hackerin.
Die Internet-Realität war so skurril geworden, dass die Menschen sich im Spiegel kaum mehr wiedererkannten. Im Jahr 2032 war es dann ge-schehen. Die Wolke zersplitterte wie ein verhasster Spiegel, dessen man überdrüssig geworden war. In der Wolke hatten sich alle Schatten der Menschen zusammengebraut zu einem üblen Gewitter. Es war höchste Zeit, dass ihr Daten-Abbild vor ihren Augen zerstört wurde.
Hacker hatten sich an der Wolke zu schaffen ge-macht, an ihr gekitzelt. Da brach alles aus ihr heraus. Die Wolke aus Daten, Taten und Geschichten löste sich auf in Regentropfen aus Bits und Bytes.
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Aufwachen im Technofaschismus
Offiziell ist es die Seuche, die als eine Art Brandbeschleuniger den Datenfaschismus ermög-licht. In Wirklichkeit findet ein Krieg gegen den Men-schen statt. Sie sind auf der Jagd nach DNA und ewigem Leben.
Mit der Fratze des Todes im Nacken steht man in dieser Welt morgens auf und betrachtet im Spiegel ein Ich, das einem fremd geworden ist. Jeder könnte träger des Virus sein. Alle sind fiese Bazillenträger, eklige, wertlose Viecher. Man möchte den Knopf der Sprühdose mit dem Ameisengift drücken und sie auf sich selbst richten, sich selbst anzünden und sterben. Aber der Überlebenswille ist nur schwer zu brechen.
Alles, was das System stört, wird ausgeschaltet. Eine mRNA-Impf-Sonde übernimmt die Exekution. Sie befindet sich irgendwo im Körper der nutzlosen Arbeitskraft. Wenn der Befehl der geizigen alten Männer kommt, setzt die Sonde den Körper ihres Wirts schachmatt.
Diese Zeiten waren irgendwann vorbei. Die Menschheit ist auf null gesetzt worden. Diejenigen, die sich aus der Cloud herausgehalten hatten oder nur mit einem Bein drinsteckten, haben überlebt und können noch ihren Enkelkindern davon erzählen.
Bedroh(n)te Menschheit
Die Daten sind eine einfache Sache. Geboren wur-de sie am ersten Juni, genau wie Marilyn Monroe, die Hollywood-Schauspielerin, die möglicherweise von Bobby Kennedy, dem Bruder des damaligen 11
amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, er-mordet oder von ihm mit einer tödlichen Dosis Drogen vollgepumpt worden war. Vielleicht war es auch ganz anders. Es gibt da viele Theorien. Marilyn Monroe war eine der größten Sexbomben der Fünf-ziger- und Sechzigerjahre des zwanzigsten Jahrhun-derts.
Unsere Frau, geburtstagsmäßig ein Zwilling von Marilyn Monroe, aber auch astrologisch gesehen ein Zwilling, ist alles andere als eine Sexbombe. Ihr Alter befindet sich im Bereich weiblicher Wechseljahre. Das merkt sie daran, dass sich ihre angeborene Widerspenstigkeit stärker zeigt als sonst. Die Wech-seljahre sind eine Art zweite Pubertät, die Frauen viele Möglichkeiten bietet, um sich zu entwickeln und sich den Sternen, die sie immer nur von weitem betrachtet durften, ein Stück zu nähern.
Sie ist gerade siebenundvierzig Jahre alt gewor-den. Die Quersumme der Anzahl der Buchstaben des Wortes siebenundvierzig ist sieben. Das ist für das System, in dem die Menschen zu leben glauben, un-erheblich. Sie selbst steckt nur mit einem Fuß in der Cloud. Leider muss man ein wenig von sich preis-geben und die Cloud füttern, damit sie einen in Ruhe lässt.
Man wird da hineingeboren,, und man kann den Dreck nur überleben, wenn man ein Bein abgibt beziehungsweise es in die Cloud steckt. Die Cloud klebt ihr am Bein. Der Rest ihres Körpers ist unberührt. Während andere Fußfesseln tragen oder im Gefängnis sitzen, kann sie sich bewegen, wird aber von der Cloud überwacht.
Heiße Ware für dieses System ist der Finger-abdruck, das ist das Minimum, das man abgeben muss. Dann kommen die Iris, das Blut und die DNA. Mit solchen Daten kann ein zweites Ich gebastelt werden. Ein Klon von einem selbst.
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Sie kommen aus den Wolken herunter, surren, glotzen einem ins Wohnzimmer rein und sind häss-lich. Sie hängen dämlich in der Luft, und man möch-te sie abschießen. Drohnen. Mit Drohnen werden Menschen bedrohnt, bedroht, überwacht. Die Typen, die sich diesen Terror ausgedacht haben, machen ihr Angst. Diese geklonten, wichsenden Kryptogeld-Roboterfreunde. Olen Mucks zum Beispiel ist einer dieser Verrückten. Er nennt sich Technoking. Für sie sind sie einfach nur Schweine, digital-faschistische Schweine.
Beim Anblick der Befehlshaber der Roboter-fascho-Freunde, dieser knittrigen achtzigjährigen Blutsauger im Anzug, gefriert einem das Blut. Sie sehen aus wie Vampire. Diese Typen machen ihr beinahe genauso viel Angst wie die Dragqueens, die kleinen Kindern an die Wäsche gehen. Minderjährige Jungen in Frauenklamotten gehören in diesem Sys-tem dazu. Genau wie die gierigen alten Männer, die mit Geld und ohne Herz regieren und Menschen hassen. Je mehr Geld sie haben, umso ärmer sind sie.
Dann kam die Seuche über die gesamte Mensch-heit. Sie kam den alten Männern in Anzügen gerade recht. Es wurde Angst verbreitet, und falsche Infor-mationen gewannen die Oberhand.
Seitdem sind die Menschen gefügig geworden und befolgen alle Befehle der Cloud. Sie leben isoliert und einsam. Sie sind Sklaven der Cloud.
Der Journalismus ist am Arsch. Das Lesen be-herrschen die wenigsten. Heute wird Journalismus aus Daten und Statistiken gemacht. Daten von Droh-nen und Quantencomputern, Mitschnitte von Gesprächen, auch privaten Gesprächen, alles wird in einen Pott geworfen und ausgewertet. Das Ergebnis ist eine üble Suppe. Ein Text, der vorher schon fest-stand, aber nun von Daten untermauert ist. Das Wichtigste sind die Bilder und die Grafiken dazu. 13
Denn die Menschen lesen nur die Schlagzeilen und betrachten vor allem die Bilder und die Grafiken.
Alles wird gesammelt. Daten von den Vogelarten, die über einen Vulkan fliegen. Alles ist nützlich. Alles wird verwertet. Die Cloud ist ein blindes allgegen-wärtiges Auge. Es sammelt und zählt alles, und das Ergebnis ist die Zerstörung von allem, was erfahrbar hätte sein können.
Tagebucheintrag am 15. Juni im Digitalfaschismus
Verrückte Frauen sind schützenswert. Frauen wie Hildegard von Bingen, die statt als Kräuterhexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden in einem Kloster aufgenommen wurde. So eine Bekloppte, die hin und wieder unter spiritistischen Eingebungen litt. Wahrscheinlich wäre sie sonst wegen Hysterie verdammt und zugenäht worden. Solche Frauen be-nötigen Schutz vor der Verfolgung. Viele Klöster ha-ben unzählige solcher Frauen gerettet.

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