Der Vietnamkrieg – Provokation, Medienlügen und gebrochene Versprechen (Dr. Daniele Ganser)

9 months ago
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www.kla.tv/12846

Am 28. Mai 2018 war der Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser in Hannover. Vor etwa 1.000 Menschen sprach er über den Vietnamkrieg von 1964-1975. Dieser liegt zwar schon etliche Jahre zurück, doch die inzwischen freigegebenen Geheimdokumente und die beispiellosen Fotos mutiger Journalisten dokumentieren das Ausmaß und den Horror moderner Kriege. An Vietnam kann man lernen, wie auch heute Kriege eingefädelt werden: Durch Provokation, Intrigen, Medienlügen, gebrochene Versprechen und eine fehlgeleitete Selbstwahrnehmung.
Im Folgenden gibt Klagemauer.TV eine kurze Zusammenfassung des 2½-stündigen Vortrags wieder:
Der Konflikt in Vietnam begann damit, dass 1945 in Vietnam unter Ho Chi Minh die Unabhängigkeit ausgerufen wurde. Frankreich, die ehemalige Kolonialmacht, versuchte daraufhin, das Land im sogenannten Indochina-Krieg (1946-1954) wieder unter seine Kontrolle zu zwingen. Dies ist insofern erstaunlich, als Frankreich wie auch viele andere Länder als Lehre des 2. Weltkrieges mit 60 Millionen Toten am 24. Oktober 1945 das UNO-Gewaltverbot unterschrieben hatten. Darin heißt es in Artikel 2: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ Nichtsdestotrotz führte Frankreich mit Unterstützung der USA bereits ein Jahr später den nächsten Krieg.
Am Ende des Krieges wurde das Land in Nord- und Südvietnam geteilt und baldige freie Wahlen sowie die Wiedervereinigung in Aussicht gestellt. Diese Vereinbarung wurde jedoch gebrochen und mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA in Südvietnam ein Gegenpräsident aufgebaut. Als Katholik ging dieser fortan sehr brutal gegen die kommunistischen Anhänger des nordvietnamesischen Präsidenten Ho Chi Minh und die Buddhisten vor. Weltweit publik wurde die Lage vor allem durch die öffentliche Selbstverbrennung eines buddhistischen Mönchs 1963 in Saigon.
Am 2. November 1963 ermordete die CIA ihren eigenen Kontra-Präsidenten. Im gleichen Jahr, am 22. November, wurde auch der US-Präsident John F. Kennedy ermordet. Kurz zuvor hatte er den Rückzug aller US-Berater aus Südvietnam anvisiert. Ein Zusammenhang?
Derweil gingen die militärischen Provokationen Südvietnams mit Hilfe der US-Navy weiter. Am 2. August 1964 gab es in den Hoheitsgewässern Nordvietnams, im Golf von Tonkin, ein kleineres Gefecht zwischen dem Kriegsschiff USS Maddox und einigen leichtbewaffneten Schnellbooten Nordvietnams. Doch schon in der Nacht des 4. August verkündete der neue Präsident Johnson, die USA wären an diesem Tag wiederholt angegriffen worden und müssten nun zurückschlagen, um den Frieden zu sichern. Jahre später, im Dezember 2005, gab die NSA* (National Security Agency, ein Geheimdienst der USA) zu, dass der Zwischenfall im Golf von Tonkin erlogen war, denn die USS Maddox befand sich bereits nicht mehr vor Ort. Damit entlarvten sie Präsident Johnson als Kriegsverbrecher. Konsequenzen hatte dies nicht, denn auch heute noch werden Kriegsgründe erfunden oder konstruiert, wie etwa im Irak, in Libyen, in Jugoslawien, Syrien, Jemen und so weiter. Provokationen, gebrochene Versprechen und Medienlügen sind allgegenwärtig. Die noch lebenden Kriegsverbrecher wie Bush, Cheney oder Colin Powell werden nicht vor Gericht gebracht. Auch wurden die USA offiziell nie verurteilt, obwohl sie zahllose Male gegen das von ihnen 1945 unterschriebene Gewaltverbot verstoßen hatten.
Beim Massaker von My Lai 1968, bei dem US-Infanteristen* [*Erkl.: Fußsoldaten] 504 Zivilisten töteten, kam die absolut fehlgeleitete Selbstwahrnehmung der USA ans Licht. Der verantwortliche Offizier Calley argumentierte, er habe nicht gegen Menschen, sondern gegen eine Ideologie gekämpft. Eine gefährliche Argumentation, denn egal welche Ideologie ein Mensch vertritt, er ist damit nicht zum Abschuss freigegeben. Dies tun allenfalls Terroristen.
Calley verteidigte sich auch damit, er habe nur die Befehle von oben befolgt. Genau diese Logik wurde jedoch 1945 bei den Nürnberger Prozessen verneint und das Prinzip der individuellen Schuld festgelegt. Dies zeigt, dass die USA – damals wie heute – mit unterschiedlichem Maß messen.

Zurück ins Jahr 1964: Die Medien verbreiteten die Kriegslügen der US-Regierung und trieben so die nichtsahnenden Amerikaner in einen verheerenden Krieg. 3 Millionen Vietnamesen und 58.000 US-Soldaten starben. Es gab Vergewaltigungen, Enthauptungen, Folter – wie in jedem Krieg. Das Besondere war, dass sich damals ausländische Journalisten frei bewegen konnten und authentische Bilder des Krieges erstellten, wie sie heute nicht mehr zu sehen sind. Oder haben wir jemals Fotos aus Afghanistan oder Irak gesehen, wie die USA und NATO-Länder Kriegsverbrechen begehen?
Damals jedenfalls kämpfte die USA mit der Brandwaffe Napalm, einem klebrigen Benzingemisch, welches schwerste Verbrennungen hervorruft. Genauso das Entlaubungsmittel Agent Orange, welches in den nachfolgenden Generationen zu schweren Missbildungen führte. An den Folgen starben in den Nachkriegsjahren nochmals 400.000 Vietnamesen. Vergleich zu heute: Die ebenso menschenverachtenden Waffen wie abgereichertes Uran in den NATO-Kriegen von Irak bis Syrien, davon sehen wir heute keine Bilder im Mainstream.
Doch damit nicht genug. Die USA griffen 1964 ebenfalls das Nachbarland Laos an und warfen 2 Millionen Tonnen Bomben ab. Das entspricht einer Flugzeugladung alle 8 Minuten, neun Jahre lang. 1969 wurde dann auch noch Kambodscha angegriffen, zunächst mit gefälschten Flugzeugeinsatzprotokollen, die vorgaben, man würde in Vietnam kämpfen. Diese drei illegalen Kriege wurden ohne UNO-Mandat und entgegen dem UN-Gewaltverbot durchgeführt.
Durch die Kriegsbilder und Berichterstattung aus Vietnam erstarkte ab 1967 die Friedensbewegung der Hippies und die Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King. Auch Prominente wie der Boxer Muhammad Ali äußerten unmissverständlich ihre Kritik. Er sagte: „Der weiße Mann schickt den schwarzen Mann, um gegen den gelben Mann zu kämpfen, um das Land zu schützen, welches sie vom roten Mann gestohlen haben.“ [Original: “white people sending black people to fight yellow people to protect the country they stole from the red people.”]. So mussten die USA schließlich einen Friedensvertrag aushandeln.
1975, nach elf Jahren, endete der Vietnamkrieg.
Fazit: Die USA haben aus dem Vietnamkrieg ihre Lektion gelernt, doch leider die falsche. Man lässt heute keine freien Journalisten mehr in Kriegsgebiete, sondern zeigt nur gefiltertes Bildmaterial. 1975 setzten die USA die Wehrpflicht aus und kämpfen seitdem nur noch mit „Freiwilligen“ und Söldnern, um die Proteste im eigenen Land zu dämpfen. Die Argumentation jedoch - von Afghanistan bis Syrien – ist heute noch immer dieselbe: Man kämpfe nur gegen böse, menschenverachtende oder gemeingefährliche Verbrecher oder Terroristen. Ob die Kriegsgründe dafür als erfunden auffliegen, interessiert sie nicht mehr. Auch nennt man die Kriege heute nicht mehr Krieg, sondern Einsatz oder Mission. Wohin soll das noch führen? Nach wie vor, so muss man schließen, leidet die US-Administration unter einer extrem fehlgeleiteten Selbstwahrnehmung, denn sie erkennt ihre eigenen Kriegsverbrechen nicht. Sie handelt gegen das UN-Gewaltverbot von 1945, welches sie unterzeichnet hat, und verlangt von anderen Staaten wie z.B. Iran oder Nordkorea unter Gewaltandrohung, sich an internationale Verträge zu halten. Das kann nicht so weitergehen. Die Geschehnisse während des Vietnamkriegs zeigen klar die Richtung. Eine faire Berichterstattung mutiger Journalisten und eine aktive Friedensbewegung war und ist der Schlüssel für den Frieden, gerade im Hinblick auf die noch laufenden Kriege unter US-Beteiligung.

von sl.
Quellen/Links:
Vortrag am 28.5.2018 in Hannover
https://www.unric.org/de/charta

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/264176/umfrage/gefallene-us-soldaten-in-vietnam/

https://fpif.org/muhammad-ali-belongs-right-malcolm-x-martin-luther-king-howard-zinn/

http://worldsofhurt.com/chapter-one/

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