Une sorte de narcissisme

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Außerdem in der Bibliothek:

(a) Apologie des Sokrates
(b) Kriton
(c) Phaidon
(d) Der Sophist
(e) Der Politiker
(f) Philebos
(g) Timaios
(h) Kritias
(i) Theaitetos
(j) Gorgias

Platon, Hypereides, Thukydides, Perikles und die Idee des oligarchischen Athen im Peloponnesischen Krieg
Émile Chambry Der französische Literaturwissenschaftler Émile Chambry war Preis-träger der Académie française; er übersetzte zahlreiche griechische Werke in der Collection des universités de France und in der Sammlung Classiques Garnier.
Die Académie française verlieh ihm 1935 den Prix Jules-Janin für die drei Bände von Platons Staat (πολιτεία La République). In der Bibliothèque électronique du Québec, collection philosophie, Band 12, hat er den Dialog ‘Menexenos’ des Platon übersetzt und erklärt.
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Sokrates trifft Menexenos, der gerade vom Senat kommt, wo ein Redner ausgewählt werden sollte, der die Grabrede für die im Laufe des Jahres gefallenen Soldaten halten sollte. Er sagte: „Es hat viele Vorteile, im Krieg zu sterben: Man wird von hervorragenden Persönlich-keiten gelobt, die nicht zögern, nicht nur den Toten, sondern auch den Lebenden alle wahren oder falschen Eigenschaften zuzuschreiben, und die ihre Lobeshymnen mit dem ganzen Glanz der Beredsamkeit ausstatten. Wenn ich sie höre, fühle ich mich in meiner Achtung gewachsen und bleibe drei oder vier Tage in dieser schmeichelhaften Illusion. – Immer machst du dich über Redner lustig“, sagte Menexenos, „aber es ist nicht leicht, solche Reden zu verfassen, vor allem, wenn sie improvisiert sind, wie es der Fall sein dürfte, da der Redner in letzter Minute bestimmt worden ist. – Sokrates erwidert: „Diese Leute haben fertige Reden, und außerdem ist das Improvisieren bei solchen Themen leicht. – Wärst du dazu in der Lage, Sokrates?“ – „Zweifellos, denn ich habe Aspasia als Lehrerin der Redekunst und habe sie gerade eine Rede halten hören, die sie für die Feier, von der du sprichst, verfasst hat.“ – „So beeile dich denn, sie mir noch einmal vorzutragen“, rief Menexenos, „ob sie nun von Aspasia oder von einem anderen stammt.“ – „Wenn ich das tue, wirst du mich auslachen, weil ich in meinem Alter immer noch so albern bin; aber ich kann dir deine Bitte nicht abschlagen. So höre denn:“
Hierauf trägt Sokrates ihm eine Rede vor, die nach allen Regeln der Kunst verfasst ist, mit ausdrücklich gekennzeichnetem Exordium, Unterteilungen und Untergliederungen. Im Exor-dium gibt er seinen Plan an. Die Rede wird aus zwei Teilen bestehen: dem Lob der Gefalle-nen und der Ermahnung, die an die Lebenden gerichtet wird.
I. Die Lobrede (237 a – 246 a) wird nach der Ordnung der Natur geregelt und umfasst 3#Punkte: die gute Abkunft der Toten, ihre Nahrung, Erziehung und ihre Heldentaten.
A. Ihre edle Abstammung (237 b – 237 d) ergibt sich aus der Eigenschaft ihrer Vorfahren als Einheimische. Daher muss man zuerst Attika, ihre Mutter, loben, da dies gleichzeitig ihre Herkunft verherrlicht. Attika wurde erstens von den Göttern geliebt, was der Streit und das Urteil der Götter beweist, die um sie stritten. Zweitens wollte sie lediglich Menschen gebären, während die anderen Länder wilde Tiere gebaren.
B. Die Nahrung und die Erziehung (238 a – 239 a) umfasst drei Punkte. Erster Punkt: Dass die Athener einheimisch sind, beweist, dass Attika Weizen und Gerste und Oliven, für den Menschen geeignete Nahrung, hervorgebracht hat.
Zweiter Punkt: Die Götter haben die Athener in den Künsten unterrichtet, die für das Leben und die Verteidigung des Landes notwendig waren.
Dritter Punkt: Die Athener organisierten ein politisches System, das unter dem Namen Demokratie in Wirklichkeit die Regierung einer vom Volk gewählten Elite ist, also eine Oli-garchie.
C. Ihre Heldentaten (239a – 246a), oder genauer gesagt diejenigen ihrer Vorfahren und ihrer Zeitgenossen.
Exordium: In Freiheit erzogen, fühlten sich die Athener immer für verpflichtet gehalten, im Interesse der Freiheit zu kämpfen. Freiheit, entweder gegen die Barbaren oder gegen die Griechen.
a) Mythologische Kriege (239 bc) gegen Eumolpe und die Amazonen, gegen die Thebaner um die Argiver und gegen die Argiver um die Herakliden.
b) Medische Kriege (Perserkriege, 239 c – 241 e) (Guerres médiques): Der Redner hebt die-se Kriege besonders hervor, weil sie noch nicht würdig gefeiert wurden. Die Macht der Per-ser, von Kyros errichtet und von Kambyses und Darios vergrößert, war gewaltig. Unter dem Vorwand einer Verschwörung gegen Sardes wurde Sardes angegriffen und entsandte an Dareios 500.000 Mann und drei Schiffe, um sich an den Eretriern und den Sardiniern zu rä-chen und evtl. auch die Athener zu vernichten. Die Eretrier wurden alle in drei Tagen gefan-gengenommen. Die Perser aber, die in Marathon landeten, sind dort von den auf ihre gerin-gen Kräfte reduzierten Athenern vollständig besiegt worden.
Die Sieger von Marathon verdienen den ersten Preis; die Sieger von Artemision und Salamis den zweiten. Die ersten haben gezeigt, dass die Perser zu Lande nicht unbesiegbar waren, die zweiten, dass sie auch zur See nicht unbesiegbar waren. Der dritte Preis ging an die Kämpfer von Platää. Schließlich haben die Athener durch ihre Feldzüge am Eurymedon, auf Zypern und in Ägypten alle Nichtgriechen von der See vertrieben.
c) Unterstützte Kriege gegen die Griechen (241 e- 246 a) :
(1) Böotischer Krieg: Schlachten bei Tanagra und Önophyte; (2) Archidamischer Krieg: Sphakteria-Affäre; (3) Sizilische Expedition; Schlachten am Hellespont, Niederlage Athens; (4) Der Bürgerkrieg; (5) Frieden: die Athener sind entschlossen, die Griechen nicht mehr vor der Knechtschaft zu verteidigen, weder gegen Barbaren noch gegen Griechen; (6) Der Korin-thische Krieg: Athen nimmt trotz seines Vorsatzes daran teil; es leistet dem Großkönig Hilfe; Vertrag von Antalkidas.
II. – Zweiter Teil: Ermahnung an die Lebenden. (246 a-249 c). Exordium: Der Sprecher wird die Empfehlungen der Toten an ihre Söhne und ihre Eltern weitergeben.
(1) Prosopopoiie: Ermahnung der Toten an ihre Söhne, Tröstungen der Toten an ihre Eltern; 2° Der Redner richtet in seinem eigenen Namen an Ermahnungen und Tröstungen an die Eltern der Toten. Er erinnert sie an die Fürsorge der Stadt für sie; (3) Peroratio (Schlußteil; Erhebung): Der Redner fordert die Anwesenden auf, sich zurückzuziehen!
Wir können uns ein Bild davon machen, wie die Trauerrede aussah Die Art der Trauerrede in Athen lässt sich an mehreren Beispielen zeigen. andere Trauerreden, die uns erhalten ge-blieben sind auf uns gekommen sind. Die erste davon war die, die Perikles am Ende des ersten Jahres des Krieges auf dem Peloponnes hielt. Sie war sicherlich nicht in der Form, in der sie gehalten wurde. die Thukydides ihr gegeben hat; dennoch ist es wahr Es ist wahr-scheinlich, dass er die Hauptgedanken und die Anordnung der Teile beibehielt.
Gorgias hatte auch geschrieben eine Grabrede, die aber nie gehalten wurde und die Sie war nur ein Modell, das seine Schüler nachahmen sollten. Wir haben ein Fragment davon, das zwar keine Ideen, dafür aber eine große Fülle an Stilfiguren enthält. Wir haben auch einen Epitaphios (Grabrede), der fälschlicherweise dem Attizisten Lysias zugeschrieben wird. Dies ist allenfalls eine Schulübung ist. Man muss anmerken: dasselbe gilt für den Epitaphios, den wir in den Werken des Demosthenes finden, der aber nicht von ihm selbst stammt.
Die einzige Grabrede, die von allen, die wir besitzen, wirklich gehalten wurde, ist die, die der Redner Hypereides für die im Lamischen Krieg im Jahr 323 gefallenen Soldaten verfasste. In allen diesen echten und unechten Trauerreden, außer der von Perikles, finden wir denselben Rahmen und dieselben Themen: Das Lob der „Autochthonie“, die fabelhaften oder histori-schen Heldentaten der Athener, insbesondere in den mittelalterlichen Kriegen, schließlich die Tröstungen für die Angehörigen der Toten und die Schlussformel.
Außer in der Rede des Perikles und in der Rede des Hypereides, die übrigens nicht frei ist von von der Emphase, die dem Panegyrikos eigen ist, scheint der Stil nach dem des Gorgias geformt zu sein; es sind nur Stilfiguren aller Art: Wortverbindungen, die sich am Ende oder am Anfang reimen, Schwingen von Satzgliedern, Antithesen, Wortbündnisse, Paronomasien, Hyperbeln, Redundanzen etc. etc.
Platon hielt sich streng an die Technik des Genres. Bei ihm finden sich alle Themen, die vor ihm bearbeitet wurden, und alle rhetorischen Verfahren, die Gorgias in Mode gebracht hatte. Sein Werk ist ein Pastiche, das selbst die Vorbilder, die er vor Augen hatte, übertrifft.
Der Menexenos ist in dieser Hinsicht so gut gelungen, dass er in der Antike als das perfekte Modell der Trauerrede galt und für ein ernsthaftes Werk gehalten wurde. Der Rhetoriker Hermogenes betrachtete sie als die schönste aller Panegyriken. Dionysius von Halikarnassos weist in seiner Abhandlung Über die Bewundernswerte Kraft des Redens bei Demosthenes zwar auf Mängel hin, ist aber voller Bewunderung für den zweiten Teil, den Trost für die Angehörigen. Nach Cicero fanden die Athener Platons Epitaphios so schön, dass sie ihn sich jedes Jahr am Tag der Totenehrung vortragen ließen. (im ‘Orator’, 44, 151) Auch in der Mo-derne wurde der Menexenos lange Zeit für ein ernsthaftes Werk gehalten. Die einen sahen darin eine Lektion für Redner in strenger Komposition, die anderen eine hohe moralische Lektion oder beides zugleich. Der Menexenos ist gleichzeitig“, so Cousin, „eine Kritik an den gewöhnlichen Trauerreden und der Versuch einer besseren Art, der zulässigen Gattung...“.
Die Panegyrik wird dort als Mittel für ein höheres Ziel eingesetzt, das der Redner nie zeigt und immer verfolgt: die moralische Erhebung derer, die ihm zuhören.“ (Argument des „Me-nexenos“, S. 176 und 179.) Man kann also im „Menexenos“ einen Versuch erblicken, die Trauerrede zu reformieren, indem darin die ganze Palette der zeitgenössischen Rhetorik auftaucht.
Viele moderne Kritiker oder Philosophen, unter anderem Ast-Schaarschmidt und Zeller, die stattdessen von der Leere der Ideen und der Affektiertheit des Stils beeindruckt waren, hielten den Menexenos für ein apokryphes Werk. Das ist allerdings eine unhaltbare These, da sie gegen das formale Zeugnis von Aristoteles in seiner Rhetorik (I, 1367 b und II, 1415 b) verstößt.
Sokrates macht sich darin über jene lustig, die die keine Skrupel haben, dem Volk seine dünkelhaften Eigenschaften zuzuschreiben. Die Menschen sind in der Lage, die Eigenschaf-ten, die sie nicht haben, mit den Eigenschaften, die sie haben, zu vergleichen. die sie haben, und die sich aller rhetorischen Tricks bedienen, um das Lob der Lebenden und der Toten nur noch zu steigern. Sokrates äußert: „Nichts ist leichter, als solche Reden zu verfassen und sogar zu improvisieren, da man immer sicher sein kann, zu gefallen, wenn man dem Publi-kum schmeichelt. – Könntest du das selbst?“, fragte Menexenos. – Gewiss“, antwortet Sok-rates, „zumal ich eine Lehrerin in der Redekunst habe: Aspasia, die den hervorragendsten Redner Griechenlands, Perikles, ausgebildet hat. Erst gestern hörte ich Aspasia eine ganze Grabrede über die Toten halten, deren Andenken man gleich feiern will.
„Trage sie mir vor“, sagte Menexenos. „Du wirst dich über mich lustig machen wenn du hörst, wie ich, so alt, wie ich bin, mich anbiedere und noch dazu ein Spiel. Das ist das Wort, mit dem Platon selbst sein Werk charakterisiert hat. Was er bezweckte, war nicht, die im Krieg gefallenen Athener ernsthaft zu preisen; denn er sagt nicht einmal, um welche Toten es sich handelt oder in welchem Krieg sie gefallen sind, was deutlich zeigt, dass er nur eine Luft-nummer abgibt. Was er wirklich wollte, war, die Redner lächerlich zu machen, die ohne Rücksicht auf Wahrheit oder Maß Panegyriken hielten.
Im »Gorgias« hatte er gerade einen kühnen und heftigen Angriff auf die Rhetorik gestartet. Er hatte deutlich gemacht, dass sie nicht einmal eine Kunst, sondern eine Routine ist und dass sie nur dazu taugt, die Menschen zu verderben, anstatt sie zu verbessern, weil sie vor allem darauf bedacht ist, dem Volk zu gefallen, indem sie ihm schmeichelt. Er wollte im Menexenos die These des Gorgias veranschaulichen und wählte dafür das für seine Zwecke am besten geeignete Redegenre, ein Genre, in dem die obligatorische Lobpreisung den Redner dazu verleitet, die Tatsachen zu übertreiben und zu verfälschen und sogar zu lügen, um seinen Zuhörern zu gefallen. Platon tat also ironisch, was die Redner dieser Zeremonien ernsthaft taten. Unter dem Vorwand, die im Dienst Athens gefallenen Soldaten zu preisen, begann er, wie seine Vorgänger, damit, Athen selbst von seinem im Dunkel der Zeit verlorenen Ursprung an zu preisen.
Unter dem Vorwand, die im Dienste Athens gefallenen Soldaten zu preisen, begann er, wie seine Vorgänger, damit, Athen selbst von seinem im Dunkel der Zeit verlorenen Ursprung an zu preisen. Er ging bis zu der Zeit zurück, als das attische Land die Athener hervorbrachte und ihre Autochthonie verherrlichte. Er sprach wie die anderen von den fabelhaften Kriegen der Urzeit, und als er zu den mittelalterlichen Kriegen kam, schwärmte er selbstgefällig von den Heldentaten der Athener und vergaß oder erwähnte kaum die anderen Griechen. Er lässt die Schlacht bei den Thermopylen, die für die Griechen so ruhmreich war, aus. Spartaner, und schreibt den gesamten Erfolg bei Salamis allein den Athenern zu.
Er stellt sie als selbstlose Vorkämpfer für die Freiheit der Griechen dar, während sie ihre er-zwungenen Verbündeten ihre Herrschaft so hart spüren ließen. Er erwähnt Sphakteria, ver-schweigt aber die Erfolge des Brasidas und die Eroberung von Amphipolis. Er führt den Misserfolg der sizilianischen Expedition darauf zurück, dass es unmöglich war, so weit ent-fernt Verstärkungen zu schicken, während Athen nacheinander Eurymedon mit zehn Schif-fen und dann Demosthenes mit einer Flotte und einer Armee schickte. Er lobt den Sieg bei den Arginusen zu Recht, behauptet aber gleichzeitig, dass Athen den Rest des Krieges ge-wonnen habe. Er streicht einfach die Katastrophe von Aigos-Potamoi (der Schlacht bei den Ziegenflüssen) und die Einnahme Athens mit den demütigenden Friedensbedingungen, die Lysander auferlegt hatte.
Als er auf den Krieg um Korinth zu sprechen kommt, gibt er den Athenern eine uneigennützi-ge Rolle und stellt die Fakten mit einer gewollten Ungenauigkeit dar. In den Anmerkungen zu unserer Übersetzung werden wir sehen, wie er die Wahrheit in jeder Hinsicht beugt, entspre-chend der Gewohnheit der offiziellen Redner, den Athenern Eigenschaften zuzuschreiben, die sie haben, und solche, die sie eben nicht haben.
Das Pastiche (oder Nachahmung, Imitation, heute „Meme“, „Remix“) erstreckt sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form. Alle von Gorgias in Mode gebrachten Stilmittel finden sich im Menexenos in einer Fülle und mit einer Verve wieder, die das Vorbild übertref-fen: Gleichheit der Satzglieder, Anhäufung von Wörtern, die sich am Anfang oder am Ende reimen, Wortverbindungen, Antithesen, Paronomasien usw.
Dionysios von Halikarnassos tadelt all diese Kunstgriffe, die eines Schriftstellers, der wirklich etwas zu sagen hat, unwürdig sind.
Platons gewöhnlicher Stil, der so einfach und natürlich ist, hätte ihn auf die Spur bringen und ihn die Ironie vermuten lassen müssen, die sich hinter dieser künstlichen Redeweise verbarg. Es stimmt, dass die Ernsthaftigkeit des zweiten Teils geeignet war, die Kritiker zu täuschen. Man spürt dort keine Ironie.
Platon musste, um das Pastiche perfekt zu machen, den Ton treffen, der bei einem so erns-ten Thema wie der Tröstung der Angehörigen von Verstorbenen angebracht war.
Wir müssen uns also von der Ansicht verabschieden, wir hätten im Menexenos etwas ande-res zu sehen als eine Spielerei, in der Platons satirische Laune auf Kosten der Rhetorik und der offiziellen Redner Karriere macht.
Er zeigt sie als das, was sie eben sind, wobei er eifrig bemüht ist, dem Volk durch die aller-ärgsten Schmeicheleien zu gefallen, Tatsachen, die ihre Selbstachtung verletzen und ihren Stolz demütigen könnten, beschönigend und verfälschend, unbekümmert um das, was Platon als die erste Pflicht ansieht mit dem Ziel, die Moral der Bürger zu heben und ihnen die Liebe zur Tugend einzuflößen.
Sein persiflierender Dialog trifft auch das Volk, das selbst das überhaupt nicht verdiente Lob gierig verschlingt, sich selbstgefällig in Selbstachtung suhlt und in der Illusion lebt, die hel-denhaften Traditionen seiner Vorfahren fortzuführen. doch ist inzwischen die Liebe zum Frieden ausgelöscht und die damit verbundenen Freuden, und Athen mußte sein stolzes Haupt vor dem persischen König beugen, der ihm den schändlichen Vertrag von Antalkidas aufzwang.
Dies ist die Bedeutung des Dialogs Menexenos. Sie wurde schon im 19. Jahrhundert von dem Deutschen Theodor Berndt hervorgehoben.
Seitdem gibt es nur wenige Kritiker, die sich seinen Folgerungen nicht angeschlossen haben. Sie wurden bei uns von Couvreur in seiner bemerkenswerten klassischen Ausgabe in der Librairie Garnier und von Méridier in der Menexenos-Ausgabe der Sammlung der Universitä-ten Frankreichs übernommen. Man kann übrigens von Folgendem ausgehen: Platon hatte neben der Hauptabsicht, die These des Gorgias zu rechtfertigen, indem er beweist, dass die Redekunst kaum mehr als eine Kunst der Schmeichelei ist, noch eine andere, ganz persönli-che Absicht, die er gar nicht erwähnt hatte: Wenn er die Art der athenischen Redner tadelte, so hat er’s weder aus Neid noch aus Unfähigkeit getan, und dass er dazu jedoch fähig ge-wesen wäre, wenn ihm die Philosophie nicht als das einzig würdige Studium erschienen wäre.
dass er, wenn ihm die Philosophie nicht als das einzige Studium erschienen wäre, das eines ernsten Geistes würdig ist, imstande gewesen wäre, ebenso schöne Reden zu verfassen wie die prominentesten Redner, die das Volk das Volk dazu bestimmte, die Toten zu preisen.
Vielleicht zielte er auch auf Isokrates ab, der eine Schule unterhielt, die mit der seinen rivali-sierte. und der den Anspruch erhob, in seinem Unterricht die Philosophie mit der Philosophie zu vereinen. Philosophie mit Rhetorik zu verbinden. Große Geister sind – genauso wie andere Menschen – voller Eigenliebe, und die Eitelkeit wirkt oft in ihnen wie in den gewöhnlichen Leuten; sie ist nur diskreter und besser verborgen.
Es bleiben noch einige Worte über den jungen Menexenos zu sagen, Sokrates’ Gesprächs-partner. Er ist der Demophons Sohn, gehört einer Familie an, die, wie Sokrates sagt, stets dem Staat Verwalter gegeben hat, und er selbst ist im Begriff, die politische Laufbahn einzu-schlagen.
Auch er bewundert Redner und ist ein begeisterter Redner. Platon hatte ihn bereits im Dialog „Lysis“ inszeniert: dort wird er als großer Redner dargestellt. Nun wächst er im „Lysis“ gerade erst aus den Kinderschuhen heraus und beschränkt sich eher darauf, der Diskussion zu fol-gen, als sich selbst daran zu beteiligen.
Im Menexenos ist der Gesprächspartner schon ein wenig älter – fast 20, da er sich darauf vorbereitet, sich an der Politik zu beteiligen. Auch im »Phaidon« ist er unter den Schülern, die den letzten Momenten des Lehrmeisters beiwohnten. Er war Sokrates sehr zugetan und voller Ehrfurcht vor ihm, treuer Anhänger seiner Ratschläge, da er von ihm die Erlaubnis erwartete, sich mit der Politik zu befassen.
Im Übrigen ist seine Gestalt nur eine leichte Skizze; das Gespräch, das er mit Sokrates führt, ist zu kurz, um seinen Charakter vollständig zu offenbaren.
Wann soll denn diese Grabrede gehalten worden sein? Nach dem Frieden von Antalkidas, der 387 geschlossen wurde, also mindestens zwölf Jahre nach Sokrates’ Tod. Dieser enorme Anachronismus allein würde schon ausreichen, um zu zeigen, dass das Werk ein Witz ist, ganz zu schweigen von der unwahrscheinlichen Idee, der Aspasia die Komposition zuzu-schreiben.
Was das Datum angeht, an dem der Dialog Menexenos geschrieben wurde, so kann man annehmen, dass er kurz nach dem Gorgias geschrieben wurde, dessen Ergänzung er ist, wie der Dialog »Euthydemos« die Ergänzung des »Protagoras«. – Bei der Übersetzung ist Émile Chambry dem Text gefolgt, den Méridier in seiner Ausgabe der Sammlung Budé angegeben hat, und hat für die Anmerkungen die ausgezeichneten klassischen Ausgabe von Couvreur reichlich herangezogen.
Ende der Einleitung zu Platons Menexenos, Émile Chambry in der Bibliothèque électronique du Québec, collection philosophie, volume 12
Anmerkung: Der Friede des spartanischen Verhandlungsführers und Kommandanten Antal-kidas wurde 387/386 v. Chr. zwischen Sparta und seinen Gegnern geschlossen, um den Korinthischen Krieg zu beenden. Die Perser traten unter dem Achämeniden Artaxerxes II. dabei als Garantiemacht auf. Das Abkommen ist das früheste Beispiel einer κοινὴ ϵἰρήνη, eines allgemeinen Friedens.
K. R. Walters (Detroit): »›We Fought Alone At Marathon‹: Historical falsification in the Attic funeral oration« (»Ἰσονομία πολιτική«) Geschichtsklitterung in der antiken attischen Lei-chenrede:
Thukydides beklagt in einer bekannten Passage die Ungenauigkeit und Leichtgläubigkeit der Griechen in der Geschichte: Denn die Menschen haben den guten Ruf der Vorfahren ... (1,20,1 – 3).
Moderne Historiker der griechischen Antike sind auch heute noch oft in der Lage, historische Irrtümer aufzudecken, die sich in der Antike absichtlich oder unabsichtlich verbreitet haben. Weitaus schwieriger ist es jedoch für uns herauszufinden, ob die meisten Griechen wussten, dass es sich um Unwahrheiten handelte und ob sie sich daran störten. Zumindest in einem Fall lässt sich das überprüfen: Die in den patriotischen Trauerreden der Athener geäußerte Prahlerei, sie hätten bei Marathon allein gekämpft, um den persischen Angreifer zurückzu-schlagen, wurde durch zeitgenössische Beweise, die jedem Bürger zur Verfügung standen, ja sogar durch Beweise, die ihm buchstäblich vor Augen standen, klar und deutlich widerlegt. Wenn wir dieses Material untersuchen, so erhalten wir einen ungewöhnlichen und wertvollen Einblick in die historische Mentalität der Athener. Es ist bekannt, dass die attische Leichen-rede ein tendenziöses Bild der athenischen Geschichte vermittelt. Diese Gattung der frühen epideiktischen Redekunst entstand irgendwann nach den Perserkriegen und war in Athen in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts in vollem Gange!. Die meisten Belege für die Topoi in der Leichenrede (. . .) Inwieweit waren den Athenern solche Fälschungen bekannt?
Waren die Fakten hinreichend obskur oder die Ereignisse so weit zurückliegend, dass der durchschnittliche Zuhörer sie nicht bemerkte oder sich nicht darum kümmerte?
Glaubten die Athener denn den Verfälschungen, die sie auf der Agora hörten? Unser Testfall zur Beantwortung dieser Fragen ist die Behauptung der Athener:
„Wir haben bei Marathon allein gekämpft“.
Diese Äußerung war ein immer wiederkehrendes Thema im historischen Teil der attischen Leichenrede. Für die Athener waren die Perserkriege ihre Blütezeit. In einer Rede, die auf den Topoi der Leichenrede basiert, berichtet Herodot (9,27,5) von dieser Behauptung in der Antwort der Athener auf die Frage, wer den rechten Flügel bei Plataiai anführen sollte: (Zitat)
Dasselbe wird in Buch 7 gesagt, wo sich Xerxes Artabanos zum Rückzug aus Griechenland genötigt sah.
Und bei Thukydides (1,73,4) warnen die Athener in Sparta die Peloponnesier davor, einen Krieg zu beginnen, indem sie an ihre früheren Heldentaten erinnern.
Diese Beispiele aus dem 5. Jahrhundert finden feste Parallelen in der Tradition des vierten Jahrhunderts: Andokides (1,107), Lysias (2,20), und Demosthenes (60, 10). Doch trotz sol-cher Behauptungen ist es eine bekannte historische Tatsache, dass die Athener bei Marathon nicht allein kämpften. Die Plataier kämpften an ihrer Seite, wie uns Herodot in seiner Beschreibung der Schlacht deutlich mitteilt (6, 108). Gregory Vlastos hat versucht zu erklä-ren, wie Platon im Menexenos – und übrigens auch in den Gesetzen – behaupten konnte, dass die Athener bei Marathon allein kämpften:
„Dieser Irrtum war so sehr eingebrannt, dass Platon sich in diesem Punkt ehrlich geirrt haben mag!“ In ähnlicher Weise kommentiert Jacqueline de Romilly, dass die athenischen Gesand-ten in Thukydides (1. Buch) „sich daran erinnern, dass in Marathon die (. . .)“
Pausanias berichtet weiter, dass es in Marathon Doppelgräber für die athenischen und pla-tonischen Kriegstoten gab (1,32,3). Diese Aussage wurde kürzlich durch Ausgrabungen in Marathon unter der Leitung von Professor Spiridon Marinatos bestätigt, bei denen die taphoi der Platäer freigelegt wurden). Schließlich errichteten die Platäer selbst in ihrer Stadt eine berühmte Statue der Athena Areia mit der Beute, die sie von den Athenern nach der Schlacht bei Marathon erhalten hatten. Diese Statue war nur wenig kleiner als diejenige aus Bronze auf der Akropolis, und beide wurden von Pheidias geschaffen (Pausanias 3,4,1).
Was soll man also von diesem eindeutigen Widerspruch zwischen der für jeden Athener of-fensichtlichen Tatsache, dass die Platäer in Marathon waren, halten?
(Rheinisches Museum 124, 1981)

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