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Kontrafunk Aktuell vom Montag 3. Juli 2023
Erstausstrahlung: Montag, 3. Juli 2023, 5:05 Uhr
Andreas Peter im Gespräch mit Oliver Benz, Michael Müller und Alexander Christ – Kontrafunk-Kommentar: Thomas-M. Seibert.
In der Sendung vom 3. Juli spricht Andreas Peter mit Rechtsanwalt Alexander Christ vom Verein „Anwälte für Aufklärung e.V.“ über einen internationalen Kongress, der sich am Wochenende in Köln dem geplanten WHO-Pandemie-Vertrag widmete. Der SPD-Politiker Michael Müller, ehemaliger Staatssekretär im Bundesumweltministerium und einer der Sprecher der Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“, wird seine Sichtweise über den Zustand der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – OSZE darlegen. Wir reden mit Oliver Benz, Präsident der Schweizer Vereinigung „Team Freiheit“, in der sich Jungpolitiker der FDP und der SVP zusammengetan haben, um Freiheit und Grundrechte in der Schweiz zu verteidigen. Und der Jurist Thomas-Michael Seibert kommentiert das Urteil gegen den Arzt Heinrich Habig.
Kontrafunk-Kommentar von Thomas-M. Seibert
Das Skandal-Urteil
Das Skandal-Urteil (ein Kommentar von Thomas-Michael Seibert)
Der Arzt Heinrich Habig ist am letzten Do vom Landgericht Bochum wegen Ausstellens falscher Gesundheitszeugnisse in 207 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden.
Dazu sind drei Anmerkungen aus juristischer Sicht erforderlich, die mit den Grundfragen des Strafprozesses zu tun haben. Ich beantworte sie vorweg: Ja, der Angeklagte hat sich strafbar gemacht. Und: nein, die verhängte Strafe ist nicht schuldangemessen. Ich wage schließlich die Prognose, dass der Strafausspruch in der Revision aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung darüber zurückverwiesen wird. Nützt das dem Angeklagten? Nein, das nützt ihm nichts. Er hat schon 13 Monate in Untersuchungshaft verbracht und das Revisionsverfahren wird weitere 6-9 Monate in Anspruch nehmen, mindestens. Die üblicherweise zu verbüßenden zwei Drittel der Strafe (bei Aussetzung des Restes zur Bewährung) sind sogar dann verbüßt, wenn die Revision als unbegründet zurückgewiesen wird. Die Haftanordnungen nach Antrag der Staatsanwaltschaft und deren Aufrechterhaltung durch die Strafkammer sind der eigentliche Skandal. Soll man das ein Strafverfahren nach Art Erdogans nennen? Aber vermutlich würde man damit die Türkei beleidigen. Es ist einfach schlechte deutsche Praxis.
Bleiben wir beim Urteil. Man wird es dem Tatbestand nach als juristisch vertretbar bezeichnen müssen. Vertretbar sind alle Entscheidungen, die man bei durchschnittlicher Urteilskraft als möglich ansehen kann. Da hat also jemand Impfungen bescheinigt, die er nicht verabreicht hat. Ich entnehme diese Feststellung der Berichterstattung, weil ich in der HV nicht anwesend war. Der gewöhnliche, mit der sog. Subsumtion vertraute Richter liest also im § 278 StGB den allgemeinen Tatbestand: Ein Arzt, der zur Täuschung im Rechtsverkehr ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird bestraft. Es ist anerkannt, dass Impfbescheinigungen solche Zeugnisse sind, und sie wurden in der Tatzeit eingesetzt, um jene Regelungen zu umgehen, die als 3 G, 2 G oder 2 G plus abgekürzt worden sind und die man nachfolgenden Generationen wird erklären müssen. Gegen allgemeine Normen gibt es nach herkömmlicher juristischer Meinung auch keine Notwehr, wie die Verteidigung meinte.
Aber die ganze Wahrheit ist das nicht. Wer über diese Sätze nicht hinauskommt, hat seine praktische Urteilskraft schon in der Ausbildung verloren. Kann jemand eigentlich noch erklären, wofür 3 G, 2 G oder 2 G plus dienten, was sie bewirkt hätten, welche Grundlage sie hatten und vor allem: wie lange sie wo jeweils galten? Das konnte nicht einmal das BVerfG, das anstelle eigener Begründungen auf die Reputation angeblicher Sachverständiger und Sachverständigenräte verwiesen hat. Noch ein Weiteres müsste diskutiert werden: Alle diese merkwürdigen, aus heutiger Sicht ohne sachliche Grundlage beschlossenen und verordneten Normen galten nur zeitweise, für sie wurde jeweils für eine von vornherein eine begrenzte Dauer beschlossen, bevor sie dann außer Kraft gesetzt wurden. Heute gehören sie bereits der Rechtsgeschichte an. In der französischen Diskussion der Rechtsgrundlagen hat man solche Vorschriften als droit jetable bezeichnet. Das muss auf Deutsch noch übersetzt und dann diskutiert werden. Ich übersetze es mit Alexander Christ als “Wegwerf-Recht”. Der Angeklagte ist wegen Täuschung über Wegwerf-Recht für strafbar angesehen worden. Fällt es da jemandem auf, dass es sich um einen Verstoß gegen nur zeitweilig geltendes Recht handelt, weshalb Jahre später dafür keine Strafen mehr vollstreckt werden dürfen? Fällt jemandem der Unrechtscharakter dieses Rechts auf?
Etwas anderes fällt allen auf - oder sollte es wenigstens: Es ist verurteilt worden zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Der Tatbestand des § 278 sieht überhaupt nur eine Höchststrafe von 2 Jahren vor. Nun wurde freilich verurteilt in 207 Fällen. Rechnet man hier einfach irgendwelche Einzelstrafen mathematisch zusammen, käme man zu einer Freiheitsstrafe, die die erwartbare Lebenszeit weit überschritte. Bei der sog. Gesamtstrafenbildung wird allerdings anders gerechnet.
Für die Strafzumessung gibt es eine Norm, wie für fast alles, was Gerichte machen. Das steht in § 46 StGB, nach dem die verschiedensten Umstände berücksichtigt werden sollen, etwa auch die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat u.v.m. Da ist man gespannt, was die Kollegen am Landgericht Bochum im Urteil begründen werden und wie sie Beweggründe und Ziele, Gesinnung und Pflichtwidrigkeit oder die verschuldeten Auswirkungen der Tat würdigen werden. Vielleicht mutmaßen manche Hörer und Beobachter schon, was da in einem Urteil über eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten so alles stehen wird. Der politische Propaganda-Apparat hat einiges bereitgestellt. Aber Vorsicht. Man muss den Kollegen empfehlen, Zurückhaltung zu üben. Wer in die Gesinnung des Angeklagten zu tief hineinsieht, auf den sieht die Gesinnungsfrage zurück. Ich erspare es mir, diese Gesinnungsfrage zu erörtern. Es mag jeder für sich darüber nachdenken, aus welcher Gesinnung eine Strafkammer diese hohe Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verhängt für eine Tat ohne Folgen wegen Täuschung über weggeworfenes Recht. Ich wiederhole und lege mich fest: Das Bochumer Urteil wird nicht bestätigt werden. Trotzdem wird der Arzt lange in Untersuchungshaft gesessen haben, und dieses Unrecht wird nicht aufgehoben. Es wird nur unkenntlich gemacht.
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