🇱🇾 Libyen: Menschenrechtler fordern Untersuchung von Gaddafi-Tötung (17.10.2012)
Libysche Rebellen haben nach Einschätzung von Human Rights Watch in der Stadt Sirte vor rund einem Jahr schwere Kriegsverbrechen verübt. Dabei sollen die Aufständischen auch den Ex-Diktator gezielt getötet haben.
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat neues Material vorgelegt, das beweisen soll, dass Libyens Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi bei seiner Festnahme noch lebte. Demnach sollen im Kampf gegen das Gaddafi-Regime im Oktober 2011 rachedurstige libysche Milizionäre nicht nur Gaddafi misshandelt und gezielt getötet haben, sondern auch seinen Sohn Mutassim und mehr als 50 seiner Gefolgsleute. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht, den HRW am Mittwoch vorgelegt hat.
In dem 50-seitigen Report "Tod eines Diktators: Blutige Rache in Sirte" stützt sich die Organisation unter anderem auf Videos, die Milizionäre am Tag der Gefangennahme des Ex-Diktators mit ihren Mobiltelefonen gemacht hatten. HRW fand Aufnahmen, auf denen Gaddafi nach seiner Gefangennahme zunächst lebend mit einer blutenden Wunde am Kopf zu sehen ist. Zudem schien er durch ein Bajonett am Gesäß verletzt worden zu sein. Als er später halb nackt in einen Krankenwagen gebracht wurde, erschien er dagegen leblos. Von seinem Sohn Mutassim fand HRW Aufnahmen, auf denen er nach seiner Festnahme rauchend in einem Streit mit Rebellen in Misrata zu sehen ist. Wenige Stunden später sei jedoch seine Leiche mit einer neuen Wunde am Hals gefunden worden.
Menschenrechtler fordern Bestrafung
HRW erklärte, die neuen libyschen Machthaber hätten bislang keine Anstalten gemacht, den Tod der Männer aufzuklären und die Milizionäre zu bestrafen. Die Kämpfer aus der Stadt Misrata hätten ihre Gegner nicht wie offiziell behauptet auf dem Schlachtfeld getötet, sondern in Sirte gefangen genommen, misshandelt und anschließend gezielt erschossen.
Knapp ein Jahr nach den Taten mahnte HRW erneut eine unabhängige Untersuchung des Geschehens an. "Diese Massenhinrichtungen vom 20. Oktober 2011 sind die schwersten Verbrechen der Oppositionskräfte" in dem achtmonatigen Konflikt in Libyen, erklärte Peter Bouckaert von HRW.
USA mahnen Aufklärung an
Die USA riefen die libysche Regierung auf, alle Vorwürfe "ernsthaft" zu untersuchen und Schuldigen "im Einklang mit Libyens internationalen Verpflichtungen den Prozess zu machen". Washington habe auch im Zusammenhang mit Gaddafis Tod immer wieder darauf gedrungen, die Umstände aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sagte Außenamtssprecherin Victoria Nuland in Washington. Das sei auch wichtig für eine nationale Versöhnung in Libyen.
Gaddafi, der in Libyen von 1969 bis 2011 herrschte, war im August vergangenen Jahres aus der Hauptstadt Tripolis vertrieben worden. Zusammen mit seinem Sohn Mutassim und einigen Dutzend Anhängern floh er in seine Heimatstadt Sirte. Dort spürten ihn die Milizionäre am 20. Oktober auf. Wenige Stunden später stellten sie in Misrata Gaddafis Leiche zur Schau.
qu/se (dpa,afp,dapd, rtre)
euronews ⎪ 17.10.2012
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