Nur noch kurz die Welt retten | Von Roberto J. De Lapuente

2 years ago
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Den vollständigen Tagesdosis-Text (inkl ggf. Quellenhinweisen und Links) finden Sie hier:
https://apolut.net/nur-noch-kurz-die-welt-retten-von-roberto-j-de-lapuente
Spürt Ihr das auch: Ganz Europa wartet und bibbert, wie die Koalitionsverhandlungen in Deutschland ausgehen. Besonders ob die Grünen gut mitmischen, hoffen der Kontinent und die Welt. Denn die Grünen, so wissen wir aus deren selbstreferentiellen Betrachtungen, retten den ganzen Globus. Darunter machen es die Enkel und Enkelinnen »unserer« Einstigen nicht.
Ein Kommentar von Roberto J. De Lapuente.
Wer jetzt behauptet, dass die ersten Vorsondierungen nur dazu dienten, erste Gemeinsamkeiten für eine Koalition abzuklopfen, der frevelt aber ganz schön. Jedenfalls den Grünen geht es nicht um so schnöde, so profane Dinge wie Koalition oder Regierung. Die sind im Namen des Herrn unterwegs. Das, was sie für ihren Herrn halten. Sie haben einen Auftrag. Keinen regionalen, keinen bundespolitischen alleine.
So kleinlich sind die Herrschaften und Frauschaften nicht. Bei ihnen geht es mindestens um den Kontinent, aber eher noch um die gesamte Welt: Sie prüfen nicht, ob es mit einer Koalition klappt – sie arbeiten an der Klimarettung. Bei allem was sie tun, bei allem was sie unterlassen. Es geht immer nur um diesen einen Auftrag.
Nach der Wahl überschlugen sich die Stimmen aus ihrem Basislager, die Ortsverbände posteten Begeisterung. Das Ergebnis sei zwar leicht enttäuschend gewesen, aber diese Perspektiven – einfach herrlich! Königsmacher und Königsmörder zu sein: Besser geht es ja gar nicht. Und nun, so gab die Basis mit auf den Weg: Legen wir los, lasst uns das Klima retten! Ja, die ganze Welt! Es wird Zeit. Zeitenwandel jetzt! Nüchternheit ob womöglich schwieriger Sondierungen? Nein, damit hält man sich nicht auf. Wer nur noch kurz die Welt retten will, der klotzt und kleckert nicht mit der politischen Realität oder Realisierbarkeit herum.
Demokratie ist sowas von undemokratisch
Das ist doch auch nur störendes Beiwerk. Demokratie und dieser ganze Tand. Was Luisa Neubauer unlängst in einer Talkshow (1) dazu absonderte, war in ihrer ganzen Demokratieverdrossenheit gar nicht so sonderlich überraschend. Fridays For Future, die neue grüne Klientel schlechthin, kokettierte ja schon von Anfang an damit, dass demokratische Prozesse jetzt endlich effektiv zu nutzen oder irgendwie zu kanalisieren seien. Warum? Na, weil es ohne Klimaschutz irgendwann gar keine Rente (wie Neubauer neulich sagte) oder eben gar keine Demokratie mehr gibt. Der Klimaschutz ist gewissermaßen das Thema, das erlauben soll, auch mal ohne demokratische Erdung zu agieren.
Während des Lockdowns gab es immer wieder mal Stimmen, die klarmachten: So ein Klima-Lockdown wäre doch eine Option. Grundrechte seien lässlich – denn wieder gilt die Parole: Ohne Klimaschutz gibt es nichts mehr, auch keine Grundrechte. Dass das Existenzen kostet, ganze Lebensentwürfe zerstören könnte, wie schon der zweiwöchige Wellenbrecher-Lockdown, der dann 17 mal zwei Wochen dauerte: Ist zwar doof, aber wenn man jetzt nicht das einzig Richtige tut, nämlich das Klima retten, mit allen möglichen, allen erlaubten und wenn es sein muss auch unerlaubten Mitteln, dann gibt es keine Existenzen und Lebensentwürfe mehr.
Diese Logik ist bestechend und passt immer. Sie rechtfertigt jeden Eingriff, jede Bevormundung, jede Zwangsbeglückung und einen Staat, der sich zum Kontrollorgan sozialen Verhaltens und Miteinanders mausert. Der Klimaschutz ist, so wie er von der grünen Klientel herangezogen und ausgeschlachtet wird, ein Mittel zu jeder denkbaren Sauerei. Dass er in einem demokratischen Staat eben auch gegen Widerstände bestehen muss: Das halten diese Leute für geradezu undemokratisch, ja faschistisch.
Die Stimmung nach der Wahl zeugte von einer seltsamen Weltläufigkeit. Die Grünen, so konnte man fast meinen, ringen jetzt nicht bloß um die Mitgliedschaft in einer deutschen Bundesregierung, sondern übernehmen jetzt den globalen Rat der Weltrettung. Die Augen der Welt seien auf diese kleine Partei gerichtet, die von Wohlstandsbürgern gewählt wird, nicht um einfach nur ökologische Politik durchzusetzen, sondern gleich das ganze Klima zu retten. Das Weltklima eben. Auch das in China oder Nigeria. Das ist ja löblich, auch nachvollziehbar – so aus einer rein theoretischen Warte heraus. Natürlich wäre das der Plan.
Der deutsche Hegemon: Man spricht wieder Deutsch
Aber ach, die Welt steckt voller Menschen, die voller Partikularinteressen stecken und n...

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